Magnolientage

Hast du diese Woche schon innegehalten, um die Magnolien zu bewundern? Bevor der Regen die leuchtenden Blüten vom Baum spült und in einen matschigen Teppich verwandelt?

Es scheint verschwenderisch, einen Baum zu hegen, der nur wenige Tage im Jahr blüht und dafür eine Menge Dreck macht. Aber ganz ehrlich, sind diese Magnolientage das nicht wert?

Gibt es etwas, das noch lauter ruft, dass der Frühling da ist, wirklich, jetzt, und unaufhaltsam?

Blick auf eine Magnolienknospe, die gerade aufgeht.

Eine Momentaufnahme am Neckar

Es ist Samstagnachmittag und ich sitze auf der Neckarwiese. Die Stimmung ist ruhig, freudig, freundschaftlich. Der Neckar vibriert vor Freude, als ob er sanft von warmen Sonnenfingern gekitzelt wird. Helle Punkte flackern auf der Wasseroberfläche und spiegeln sich am Betonrand der Brücke.

Ein Baby macht an den Händen seiner Eltern seine ersten Schritte, die kleinen Füße in Socken stampfen über das kurze Gras. Ich muss kurz an die Entenkacke denken, die die Wiese sprenkelt wie grün-graues Konfetti, wische den Gedanken aber schnell beiseite.

Ein Klangteppich aus Gelächter und Gesprächen umgibt mich: Hier schnattern die Gänse, dort klingen helle Kinderstimmen, irgendwo summt ein Bass aus einem Lautsprecher. Selbst ein entferntes „Halt's Maul!" aus einer Gruppe Jugendlicher klingt irgendwie - nett.

Die ganze Welt wirkt wieder dreidimensional.

Die Laubbäume auf dem Königsstuhl sind noch kahl, nur die Tannen verweilen unbeirrt in ihrem weihnachtlich grünen Mantel. Doch da, schau, ein einziger Baum - mitten im Wald - hat sich getraut und sein knallgrünes Blätterkleid ausgepackt.

Ich starre auf diesen lebendigen Baum, umgeben von grauen Gerippen, und staune.

Ich müsste eigentlich aufbrechen, aber etwas in mir will noch verweilen.

Da ist ein Gefühl von Ankommen, Nach-Hause-Kommen, Aufatmen, das ich noch einen Moment länger auskosten muss.

Sicht auf die grüne Neckarwiese in Heidelberg

Wenn ich viel um die Ohren habe, dann gehe ich nach draußen, halte inne und versuche, achtsam meine Umgebung wahrzunehmen. Ich liebe es, kleine Kuriositäten zu entdecken, in denen sich bei genauerer Betrachtung nicht selten der Sinn des Lebens verbirgt. Eine Zigarettenkippe, die in einer Pfütze treibt, oder so etwas.

Wenn ich es nicht nach draußen schaffe, greife ich zu Gedichten. Gestern ist mir das Gedicht „Instructions on not Giving Up" von Ada Limón begegnet, und es passt so hervorragend zu meinen Notizen vom letzten Samstag, dass ich es mit euch teilen möchte.

Es beginnt mit den Zeilen (frei von mir übersetzt):

„Mehr noch als die fuchsiafarbenen Trichter,
die aus dem Holzapfelbaum brechen,
mehr noch als die fast obszön anmutenden
Kirschbaumzweige des Nachbarn,
die ihre zuckerwattefarbenen Blüten
in den schieferfarbenen Himmel werfen,
ist es das Ergrünen der Bäume,
das mir wirklich zu schaffen macht."

​Das ganze Gedicht kannst du hier lesen.


Übung: Kuriose Frühlingsfreuden

In einer Welt der ständigen Ablenkung ist Achtsamkeit eine Einladung, innezuhalten, zu atmen, zu staunen. Sie erinnert uns daran, dass das Leben oft in den winzigen, leicht zu übersehenen Momenten liegt.

Schritt 1:

Setz dich nach draußen, vielleicht auf das Gras oder eine Bank. Nimm eine bequeme Haltung ein und schließe kurz die Augen. Atme ein paar Mal bewusst ein und aus, um anzukommen.

Öffne dann deine Augen und lade deine Sinne ein, die Umgebung zu erkunden:

  • Was siehst du? Achte auf Farben, Texturen, Bewegungen, kleine Details

  • Welche Geräusche nimmst du wahr?

  • Welche Gerüche entdeckst du?

  • Welche Atmosphäre umgibt dich?

  • Gibt es etwas, das ein wenig kurios ist, und dich - aus welchem Grund auch immer - besonders anzieht?

Dann suche nach einer kleinen, kuriosen Frühlingsfreude!

Schritt 2:

Notiere deine Beobachtung in wenigen Worten (in den Handynotizen oder auf einem Zettel)!

  • Beschreibe schlicht, was du wahrnimmst.

  • Verzichte auf Bewertungen oder Interpretation ("schön", "sieht aus wie...").

  • Bleib so nah wie möglich an deiner unmittelbaren Wahrnehmung.

Bonus:

Schreib mir deine kurioseste Frühlingsfreude, und ich freue (oder wundere) mich mit dir. 😊

Suzan Wolf

Suzan Wolf ist Psychologin (M.Sc.) und zertifizierte Achtsamkeitslehrerin.
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